Und dann, mit einem Mal, ist da ein Buch. Oder, genauer: eine Kurzgeschichte in einem Buch. Es war, glaube ich, noch im April, die Pandemie näherte sich ihrem ersten Gipfel, als Schwartz und ich die Idee zu einem Text entwickelten, die den Titel „Korallen“ tragen sollte. Das war einer dieser Glücksfälle, in der ein spontaner Einfall den Plot bereits vorwegnimmt, die Geschichte in sich einigermaßen konzise ist und die Widersprüche und Probleme, die beim Schreiben auftauchen, sich relativ rasch beheben lassen. Es folgten einige Abend- und Nachttermine, notdürftig koordiniert durch die Zeitverschiebung: Schwartz in Berlin, ich in Florida. Abwechselndes Schreiben, Sprachnachrichten, Streit über Formulierungen. Wir witzeln heute darüber, dass die gemeinsame Arbeit beinahe unsere 20 Jahre währende Freundschaft ruiniert hätte. Das stimmt natürlich nicht, aber wahr ist, dass das Koordinieren zweier Schreibstile und Arbeitsweisen, auch das Ertragen der jeweiligen Eitelkeit anstrengend ist. Wir haben tatsächlich über einzelne Worte gestritten, als stehe und falle das Projekt damit (was, zu einem gewissen Grad, auch stimmt). Dennoch war das erste gemeinsame Projekt irgendwann fertiggestellt und eingereicht, und da wir zwar beide eitel, aber auch Pessimisten sind, waren wir überrascht und froh, als die Herausgeberïnnen uns mitteilten, dass man unseren Text in dieser schönen Anthologie drucken würde.
Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass „Korallen“ davon handelt, wie Menschen sich in einer globalen Ausnahmesituation verhalten, die sie nicht verstehen. Für mich ist die Geschichte eine Rückkehr zu meinen thematischen Wurzeln. Ich hätte niemals begonnen, mich für fiktionale Literatur zu interessieren, hätte meine Mutter mir nicht einen Kurzgeschichtenband von Stephen King geschenkt, als ich 14 Jahre alt war. Erstmals konnte ich flüchten: nicht in die Filme und Serien, die ich seinerzeit schaute, sondern in die Literatur. Durch Horror und Fantasy bin ich damals nicht nur ans Lesen, sondern auch zum Schreiben gekommen. Die ersten Geschichten, die ich Leuten vorlegte, die es gut mit mir meinten, waren Imitationen dessen, was ich las. ich orientierte mich an King, später – und womöglich noch immer – an H.P. Lovecraft.
Das Schreiben von „Korallen“ hat, auch bedingt durch die Isolation, eine Konserve alter Gefühle geöffnet. Gute Gefühle aus der Zeit, als ich meine Geschichten noch auf einem 486er schrieb, während die Stereoanlage abwechselnd Heavy Metal und Big Band Jazz spielte. Und genau wie damals, als die Sorgen natürlich nicht dieselben waren wie heute, war es, als ob ich mich in einem Kleiderschrank versteckte: dunkel, eng, aber sicher vor dem, was im Zimmer rumort.
Erhältlich ist Urban Fantasy – Going Intersectional übrigens ab Januar 2021 im Ach Je Verlag. Vorbestellt werden kann er bereits jetzt, und zwar hier.