Krisenliteratur

Rund acht Monate ist es her, dass wir – Schwartz und ich – mit der Arbeit an unserer Kurzgeschichte „Korallen“ begonnen haben. Sie wurde jüngst in der Anthologie „Urban Fantasy – Going Intersectional“ veröffentlicht, die Ende Januar 2021 im Berliner Ach Je Verlag erschienen ist. (Hier kann man sie übrigens als eBook und Printversion bestellen.)

Wir schrieben diese Geschichte ganz zu Beginn der Corona-Pandemie: noch in völliger Unsicherheit darüber, wie lange dieser neue Ausnahmezustand anhalten und wie er uns bestimmen würde: unseren Alltag, unsere Beziehungen; das, was wir mit unserer Lebenszeit mittel- und langfristig zu tun gedenken. (Heute, Stand Februar 21, können wir das immer noch nicht, aber es scheint, als seien zumindest die Grenzen unserer Unsicherheit etwas klarer abgesteckt.)

Damals aber, als Schwartz und ich uns dazu entschieden, diese Geschichte zu schreiben, hatte die Pandemie unseren Alltag noch nicht dauerhaft verändert; es schien eher, als habe sie ihn eingefroren. Die Krise war allgegenwärtig, aber sie war gleichzeitig noch vollkommen unbekannt. „Corona“, das war abschotten und warten.

In diesem sehr frühen Stadium kam uns die Idee zu „Korallen“. Es ist keine Geschichte über COVID, aber eine, in der wir das verarbeiten, was die Krise eben von Beginn an auszeichnete und, wie wir jetzt wissen, immer noch ausmacht: die Gleichzeitigkeit von Isolation und umfassender Information.

Weil wir isoliert sind, wird die Krise zu einem Kammerspiel. „Korallen“ greift dieses Szenario auf. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der, wie alle, auf sich allein gestellt und abgeschottet ist. Lediglich über Nachrichten und Social Media kann er sich über das informieren, was in der Welt geschieht. Es ist ein beständiges Suchen nach Nachrichten, das Sammeln von Wissen und Halbwissen, der ausweglose Versuch, die Lage zu überblicken und das Richtige zu tun. So hegt er sich ein in seine Stabilität – die letztlich trügerisch und zerbrechlich ist.

Der Band, in dem die Kurzgeschichte erschienen ist, befasst sich mit dem Thema Intersektionalität, also der Tatsache, dass Menschen verschiedenen Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung gleichzeitig ausgesetzt sein können. In „Korallen“ interessiert uns genau diese Dynamik: wie sich über Social Media Gerüchte verbreiten, wie Sündenböcke ein gemeinsamer Nenner der Sinnsuche werden, wie am Ende das, was wir sehen, nicht zu unterscheiden ist von dem, was wir glauben, fürchten zu müssen.